Digitale Verwaltung wächst langsam
Halbzeitbilanz der Modellkommune für E-Government / Bürgerportal soll im März 2015 starten
von miriam scharlibbe
Gütersloh. Das Handy erinnert an die Termine der Müllabfuhr, die Anmeldung zum VHS-Kursus wird online erledigt und mit dem neuen Personalausweis auch die Identitätssicherung im Internet gewährleistet - seit fast einem Jahr ist Gütersloh Modellkommune für E-Government. Doch die elektronische Verwaltung steht erst in den Startlöchern. Während mancher Bürger noch skeptisch ist, hat die Stadt große Visionen.
"Die Pläne für viele Online-Dienstleistungen hatten wir schon vorher", sagt Markus Kremer, Fachbereichsleiter Personal und Organisation bei der Stadt. "Durch die Ernennung zur Modellkommune haben wir zusätzlich Geld bekommen und konnten schneller realisieren." 100.000 Euro hat die Stadt vom Bund für den Zeitraum von zwei Jahren erhalten, um ein Konzept für E-Government-Anwendungen zu entwickeln und mit der Umsetzung zu beginnen. "Das Geld dürfen wir aber nur für Beratungskosten und Personal verwenden", sagt Kremer. Für Investitionen in Hard- und Software würde die Stadt selbst etwa 300.000 Euro ausgeben.
Neben Gütersloh wurden im ersten Projektschritt aus 44 Bewerbungen auch die Stadt Düren und der Landkreis Cochem-Zell als Modellkommunen ausgewählt. Inzwischen gibt es seit diesem Sommer fünf weitere Modellkommunen.
Laut Lisa Häger, Sprecherin beim Bundesinnenministeriums, gibt es noch keine Zahlen, die einen direkten Vergleich der Kommunen ermöglichen. Erste Erkenntnisse habe man aber gewinnen können. "So haben kleine Kommunen häufig Schwierigkeiten, die personellen und finanziellen Ressourcen aufzubringen, um elektronische Dienstleistungsangebote im größeren Umfang zu konzipieren und umzusetzen." Welche Kommune, welche Probleme gehabt hat, wollte das BMI nicht sagen.
Als positive Beispiele benannte Häger aber ausgerechnet die anderen beiden Vorreiter-Kommunen. Sowohl der Landkreis Cochem-Zell als auch die Stadt Düren würden bereits mit Nachbargemeinden zusammenarbeiten und hätten viele elektronische Angebote. Grundsätzlich, so Häger, ist "für eine erfolgreiche Anwendung von E-Government die Unterstützung der politischen Leitungsebene erforderlich." zudem müssten die Verwaltungsmitarbeiter mit einbezogen werden und die Angebote nutzerfreundlich sein. "Über ein Bürgerportal sollten alle elektronischen Dienstleistungen gebündelt werden", sagt Häger.
Markus Kremer
Auf ein solches Portal müssen die Gütersloher derzeit noch warten. "Wir haben schon etwa 30 Online-Dienstleistungen im Angebot, aber manche sind auf der Internetseite schwer zu finden", gibt Markus Kremer zu. "Wir arbeiten derzeit an dem Bürgerportal, das alle Angebote übersichtlich darstellt und denken, dass es Anfang März freigeschaltet wird." Die Plattform habe auch eine Registrierungsfunktion. "Man braucht sich nur einmal anmelden und hat alle Daten parat."
Zudem gebe es derzeit mehrere elektronische Entwicklungen, die ab Oktober schrittweise fertig gestellt werden: "Wir werden endlich die elektronische Terminvereinbarung ermöglichen", sagt Kremer. "Und innerhalb der Verwaltung soll es bald elektronische Gehaltsbescheinigungen geben sowie einen elektronischen Rechnungsworkflow." 40.000 Rechnungen, die die Stadtverwaltung pro Jahr bekommt, würden dann nicht mehr in Papierform durch die Abteilungen wandern. Auch die 1.700 Personalakten sollen in absehbarer Zeit digitalisiert werden.
Kremers größte Vision ist die der sogenannten Bürgerterminals. "Ähnlich wie Bankautomaten könnten diese Terminals im Rathaus und in jedem Stadtteil stehen", sagt der Fachbereichsleiter. "Daran könnten über das Burgerportal alle Dienstleistungen genutzt werden. Und statt der EC-Karte wird der Personalausweis in das Gerät gesteckt. Gütersloher, die keinen Online-Zugang haben, sparen sich so weite Wege."
Das würde auch Anke Knopp begrüßen. Die Gütersloher Bloggerin setzt sich seit Jahren für Digitalisierung und Transparenz von öffentlichen Daten ein, auch als Mitglied der Initiative "Demokratie wagen!".
"Ich habe mich gefreut, dass Gütersloh den Zuschlag als Modellkommune bekommen hat", sagt Knopp. Doch von den Ergebnissen sei sie enttäuscht. Andere Kommunen seien längst viel weiter. "E-Government muss Chefsache sein und dass erkenne ich in Gütersloh nicht." Zudem werde die Bevölkerung nicht nur zu wenig informiert, sondern es werde auch kein Diskurs geführt. "Ich muss dem Bürger erklären, was ihm E-Government konkret bringt und die Ängste nehmen." Das fange schon beim neuen Personalausweis an. "Die Digitalisierung bringt nichts, wenn derzeit nur die Hälfte der Menschen der neuen Online-Ausweisfunktion überhaupt zustimmen. Da muss die Stadt handeln und bei den jungen Leuten anfangen, Überzeugungsarbeit zu leisten." Nur dann könne ein ländlicher Raum wie Gütersloh durch digitale Stärke zusätzlich an Attraktivität gewinnen.
info: Online-Nutzung
Beispiele: 3.450 Abfragen der elektronischen Denkmalliste gibt es im Jahresdurchschnitt. Das Baustelleninformationssystem wird etwa 1.650 Mal abgerufen.
Laut einer Umfrage der Stadt sind die drei interessantesten Online-Dienstleistungen die Bestellung der Sperrmüllabholung, der Abruf von Müllabfuhrterminen und Ticketverkauf für Veranstaltungen. (scha)
http://blickpunkt-gt.blogspot.de/2014/09/ubersetzerin-fur-den-digitalen....
03.10.2014:
Unger weist Kritik am E-Government zurück
Digitale Verwaltung sei im Rathaus "Chefsache"
Gütersloh (tcg). Gegen Kritik am E-Government der Stadt wehren sich Bürgermeisterin Maria Unger und Dr. Markus Kremer, der im Rathaus den Fachbereich Personal und Organisation leitet. Im Dezember hatte das Bundesinnenministerium Gütersloh zu einer von drei Modellkommunen erkoren, die die elektronische Verwaltung, die sogenannte E-Administration, erproben und entwickeln sollen (die NW berichtete mehrfach). 100.000 Euro hat die Stadt vom Bund für den Zeitraum von zwei Jahren erhalten, um ein Konzept für E-Government-Anwendungen zu entwickeln und mit der Umsetzung zu beginnen.
Die Gütersloher Bloggerin Dr. Anke Knopp, hatte in der NW bezweifelt, dass das Projekt im Rathaus "Chefsache" sei und erklärt, das vergleichbare Kommunen weiter seien als die Stadt Gütersloh. Dagegen verwahrt sich nun die Bürgermeisterin, die ihre Pressesprecherin mitteilen lässt: "Maria Unger hat die Bewerbung der Stadt beim Bundesministerium eingebracht und vorgestellt und ist inzwischen auf zahlreichen Veranstaltungen bundesweit als Referentin und Gesprächspartnerin auf Podien zum Thema unterwegs." Die Organisation des Projektes E-Government habe Unger "unmittelbar ihrem Geschäftsbereich" zugeordnet. Kremer und Unger sehen in dem Modellprojekt in keinem Wettbewerb. Jede Modellkommune sei von einer anderen Ausgangsposition gestartet, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Auch die von Knopp bemängelte mangelnde Bürgerbeteiligung komme nicht zu kurz. Es sei eine Bürgerumfrage durchgeführt und eine Internetseite erstellt (service.guetersloh.de) erstellt worden. Die Stadt verweist vor dem Hintergrund der Kritik auf eine Untersuchung der Grünen-Landtagsfraktion zu Online-Dienstleistungen, bei der Gütersloh unter 396 Kommunen den 35. Platz erreicht habe.