Gütersloh baut den Turbo ein

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Neue Westfälische, Gütersloh, Samstag 19. Juli 2014

Schnelleres Internet / Beratungsfirma legt im September einen Breitband-Masterplan für den Kreis vor

von Ludger Osterkamp

Gütersloh. Schnelles Internet ist für viele Bürger mittlerweile so wichtig wie Gas, Wasser und Strom - ein Teil der Grundversorgung. Die Stadt Gütersloh und die anderen zwölf Kreiskommunen planen in dieser Hinsicht einen Quantensprung. Im September liegt dazu ein Breitband-Masterplan vor.

Erstellen wird diesen Plan die Firma Micus. Sie hat Vergleichbares schon für den Kreis Coesfeld erledigt. Dort kam Micus zu dem Ergebnis, dass für die komplette Versorgung des Kreises Coesfeld mit Breitband das Verlegen von 1.522 Kilometern Leerrohre notwendig sei. Die Kosten dafür lägen zwischen 15 und 57 Millionen Euro - je nach Zeitspanne und je nachdem, ob man dafür eigens buddelt oder die Rohre nur dann verlegt, wenn die Versorger ohnehin die Erde aufreißen. Für den (größeren) Kreis Gütersloh dürften die Umsetzungskosten deutlich höher liegen.

Den Auftrag für den Kreis Gütersloh hat Micus im April bekommen. Erteilt hat ihn der Verwaltungsausschuss des Zweckverbandes Infokom, dessen Vorsteher Landrat Sven-Georg Adenauer ist. Adenauer gab als Ziel aus, bis zum Jahr 2025 eine möglichst flächendeckende Glasfasernetzstruktur aufgebaut zu haben - mit Übertragungsraten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde. Für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung des Kreises Gütersloh sei das von hoher Bedeutung. Dass sich trotz unterschiedlicher Ausgangslagen sämtliche 13 Kommunen an dem Masterplan beteiligen, sehe er als Erfolg an. Die Kosten von 70.000 Euro für die Finanzierung der Studie - sechs Unternehmen hatten sich auf die Ausschreibung beworben - teilen sich die Städte.

Erwartet wird ein Breitband-Plan mit 13 Kapiteln - für jede Kommune eines. Ein erster Zwischenbericht liegt mittlerweile vor - Micus hat ihn vor wenigen Tagen bei der Regio IT den Vertretern der Kommunen präsentiert. Der Masterplan beschreibt, wie der aktuelle Stand der Breitbandversorgung ist (wo liegt bereits Glasfaser?), und er entwickelt Strategien.

Erste Aussagen sind bereits möglich. Für die Stadt Gütersloh mit ihren 45.000 Haushalten ist es demnach erforderlich, 1.015 Kilometer Rohre zu verlegen. Diese Zahl nennt jedenfalls der städtische Wirtschaftsförderer und Fachbereichsleiter Rainer Venhaus (58).

Zu prognostizieren, was eine solche Stecke die Firmen und die Stadt Gütersloh kostet, ist allerdings kaum möglich. In seinem Masterplan für den Kreis Coesfeld gibt Micus die Verlegekosten pro Kilometer "auf Basis von Erfahrungswerten" mit 33.000 Euro an. Muss man sich nur durch Wiese und Feld pflügen, liegt der Kilometer bei 11.000 Euro, muss man durch Gestein hämmern, bei 55.000 Euro. Wesentlich billiger werde es, wenn man das Glasfaser bei ohnehin anstehenden Arbeiten (etwa für Kanäle) mitverlegen kann: Dann sinken die Kosten pro Kilometer auf 5.000 Euro.

Die für Gütersloh genannten 1.015 Kilometer mal 33.000 Euro zu nehmen (ergäbe circa 34 Millionen Euro), wäre indes eine Milchmädchenrechnung. Aus zwei Gründen. Erstens: Vielleicht bietet sich an vielen Stellen das Mitverlegen an. Zweitens: Möglicherweise liegt unter etlichen Straßen ja bereits Glasfaser.

Vor allem zweites ist die große Unbekannte. Venhaus und der Breitband-Fachmann in der Wirtschaftsförderung, Guido Baumjohann (44), sagen, es sei der Stadt derzeit nicht bekannt, wo überall Glasfaser liegt. "Diese Information behalten die Telekommunikationsunternehmen gerne für sich." Gegenüber Micus würden sie sich aber äußern. Für die Stadt werde es daher sehr aufschlussreich sein, welche Aussagen der Masterplan zu dem aktuellen Stand des Breitbandnetzes mache.

Laut Baumjohann liegen in Gütersloher Boden Kabel von vier Telekommunikationsfirmen: Unitymedia, Telekom, Vodafone und BITel. Die Frage sei: In welchem Umfang sind sie bereit, die Kosten für das Umsetzen des Masterplanes mitzutragen? Wo investieren sie, wann rechnet es sich für sie?

"Wir sehen beim Thema Breitband zunächst und vor allem die Unternehmen in der Pflicht", sagt Venhaus. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass die Firmen spitz rechnen: In dicht besiedelten Gebieten verlegen sie das Glasfaser durchaus gerne, in ländlichen halten sie sich zurück. Der Grund: Erst ab einer bestimmten Anschlussdichte (der Bürger muss für seinen Turbo-Anschluss schließlich monatlich mehr Geld berappen) holen die Firmen ihre Verlegekosten wieder rein. Soll in ländlichen Gebieten also die Stadt einspringen? In Avenwedde, Hollen, Friedrichsdorf?

"Das ist eine Frage, die die Politik beantworten muss", sagt Venhaus. Da gehe es letztlich um viel Geld. Venhaus verweist auch hier auf Erfahrungen aus anderen Städten. Das wohlhabende Verl beispielsweise hat sich die Kosten für den DSL-Ausbau mit der Telekom geteilt. Für seine 8.000 Haushalte nahm Verl zwei Millionen Euro in die Hand und erreichte, dass auch vorher unterversorgte Siedlungen ein schnelles Netz bekamen. 50 Kilometer Glasfaser wurden verlegt, 64 zusätzliche Verteilpunkte eingerichtet. Die Telekom sagt, ihr Investitionsanteil habe sogar noch höher als jener der Kommune gelegen. Auch in Harsewinkel und in Rietberg beteiligten sich die Städte am Ausbau der Datenautobahn und stopften so die Wirtschaftlichkeitslücke der Unternehmen.

Die Frage, die sich daher auch Gütersloh nun stellen muss, lautet: Gehört ein schnelles Netz zur infrastrukturellen Grundversorgung? Und falls ja, wie weit treibt man diese Grundversorgung? Muss sie bis in den entlegensten Winkel reichen, mit einer Datengeschwindigkeit von 50 Megabit? Für Upload und Download? Und reicht es, das Glasfaser bis zum Straßenverteiler zu legen, oder muss es bis zum Grundstück (FTTB - fiber to the building) oder gar bis ins Haus (FTTH - fiber to the house) führen? Bezahlt die Kommune einige der Leerrohre oder ausschließlich die Unternehmen? Und wer kommt für die zusätzlichen Verteilerstationen auf? Oder ist es vielleicht sinnvoll, statt mit Erdkabeln mit Funkzellen zu arbeiten? Wo sowieso immer mehr Deutsche mobil ins Internet gehen?

"Es sind noch so viele Fragen zu klären", sagen Venhaus und Baumjohann. Im Herbst, nach der Präsentation des Masterplanes bei der Infokom, werde man schlauer sein. Anschließend werde das Thema auch in die politische Beratung gehen.

"Wichtig für die Standortpolitik"

Für den städtischen Wirtschaftsförderer Rainer Venhaus ist das schnelle Internet ein wichtiges Argument für die Standortpolitik. "Die Wirtschaft braucht das. Das ist genauso wichtig wie Straßen und Autobahn." Die Frage nach der Geschwindigkeitsrate bei der Datenübertragung zähle mittlerweile zu den ersten, die ansiedlungswillige Unternehmen stellten. "Wenn Sie da mit mickrigen Zahlen kommen, haben Sie keine Chance."

Bei der Anbindung und Ausweisung von Gewerbegebieten habe eine Kommune daher unbedingt darauf zu achten, dass die digitale Infrastruktur stimme. Mit dem Masterplan demnächst eine Übersicht, eine Art Kataster zu haben, sei überaus hilfreich. (ost)

info: Verteilstellen

In Gütersloh liegt aktuell ein Glasfaserstrang mit sieben Hauptverteilern, verteilt übers ganze Stadtgebiet.

Von diesen Hauptstellen zweigen Kabel zu den Straßenverteilern ab; von diesen grauen Kästen stehen mehrere hundert in Gütersloh. Die Kabel sind teils bereits aus Glasfaser, teils noch aus (langsamem) Kupfer.

Von den Straßenkästen wiederum führen Kabel bis zu den Grundstücken und ins Haus. Im Augenblick sind diese oft noch aus Kupfer.

Ziel des Masterplanes ist es, das Glasfaser mindestens bis zu den Grundstücken zu führen. (ost)