Neue Wege gehen

Quelle: 
GT Info, August 2013

Das Rennen um die Nachfolge der Weberei-Trägerschaft bleibt spannend. Nachdem Matthias Markstedt bereits frühzeitig erklärt hat, die Weberei zu übernehmen, haben weitere Kandidaten ihre Bewerbungen abgegeben. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses (20. Juli) unseres Magazins wollten nunmehr drei ernstzunehmende Gruppierungen mit ihren Konzepten überzeugen. Über das sogenannte „Genossenschaftsmodell“ Markstedts hinaus bewirbt sich ein Team aus Privatleuten um Ben Hensdiek, Carsten Huhn (GTownMusicOWL) und Matthias Kirchhoff (GüterslohTV) um die Trägerschaft der Weberei. Den Kandidatenkreis erweitert darüber hinaus Nobby Morkes, der gemeinsam mit Frank Brune, Dominik Klima und Christiane Ziegele das Bürgerzentrum neu ausrichten möchte. GT-INFO-Chefredakteur Markus Corsmeyer traf sich mit den beiden neuen Interessentenkreisen und stellt die Konzepte detailliert vor. 

Das Konzept: Weberei – Bürger, Kultur, Medien

„Wir sind seit vielen Jahren mit der Weberei verbunden und möchten die Bühne der Weberei mittelfristig zur Bühne Ostwestfalens machen. Darüber hinaus soll sie ein Zentrum für Musik- und Medienbildung und ein lokaler Bürgertreffpunkt mit Ausstrahlung und guter Gastronomie in angenehmer Atmosphäre werden“, verspricht die Dreiergruppe um Hensdiek, Huhn und Kirchhoff. Die drei Gütersloher wollen ein Gesamtpaket anbieten, das für alle Bürger jeden Alters der Stadt interessante und ansprechende Angebote bereithält. Das Trio wird von einem Kreis lokaler Unternehmergrößen beraten, die die Kulturszene Güterslohs fördern möchte. Dieser als Kontroll- und Entwicklungsorgan eingesetzte Fachbeirat setzt sich aus dem Architekten Walter Hauer, dem MODUS Consult-Vorstand Martin Schildmacher und dem Medienunternehmer Heino Nollmann zusammen. Für die Weberei-Gastronomie soll der aramäische Gastronom Kaya Dursun verantwortlich zeichnen. Mit dem sogenannten „Weberei-Freundeskreis“ soll ein Verein als offenes Mitwirkungsorgan für Mitarbeiter, Freunde, Vereine und Förderer entstehen. „Im Mittelpunkt der Bürger“, so lautet das Hauptanliegen der Gruppierung Hensdiek, Huhn und Kirchhoff. Die Weberei soll für alle Alters- und Interessengruppen Räume bieten. Ein Schwerpunkt in der Bürgerarbeit soll das Kompetenzzentrum JugendMusikKultur werden. Durch ihre Erfahrungen der Förderung junger Bands wollen die Gesellschafter Carsten Huhn und Ben Hensdiek in diesem Zusammenhang ihr Know-how einbringen. Will heißen: Förderkonzepte von nachhaltig angelegten Bandcontests bis hin zu Coaching-Angeboten sollen umgesetzt werden. Darüber hinaus soll die Weberei im Rahmen des Netzwerkes „Create.Music.“ als regionaler Satellit für die Kulturregion Ostwestfalen eingerichtet werden. Das Konzept sieht aber auch vor, die etablierten Formate wie die GTownMusic Scoustic Session und die Blues Session „Bar Fly“ weiterzuführen. Die drei Kultur- und Medienunternehmer wollen für den Veranstaltungsbereich kurzfristig ein übergreifendes Kassensystem von der Gas­tronomie zum Veranstaltungsbereich installieren. Mittelfristig wollen sie dort neue Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen und ihn mit seinen Veranstaltungen in die Bereiche Weberei KULTUR und Weberei EVENT gliedern. „Die Angebote von Initiativen und Vereinen im Kulturbereich bleiben weitestgehend bestehen“, streben die Macher an. „Wir wollen die Marke Weberei KULTUR stärker positionieren“. Dazu zählen viele Kleinformate, aber auch große Veranstaltungen, die eine größere Strahlkraft in die Region entwickeln sollen. „Wir möchten die Weberei-Bühnen in Ostwestfalen etablieren“, so Carsten Huhn. Das gelte vor allem sowohl für Sparten-Veranstaltungen als auch für Konzerte bekannter Künstler. Die Bewerber wollen den Eventbereich detailliert abklopfen, neu positionieren und zuguns­ten von Kulturangeboten optimieren. Wirtschaftlichkeit spiele hier eine entscheidende Rolle. Aus der Sicht der möglichen neuen Betreiber müsse deshalb das Theken- und Lagersystem neu strukturiert werden. Zudem wollen sie die Personalplanung und die Garderobensituation verbessern. „Die Weberei muss ihren zum Teil negativen Ruf unbedingt verlieren. Das Flair darf dabei aber nicht verloren gehen“, erklärt Ben Hensdiek. Ein weiterer Baustein des neuen Konzepts ist eine Medienakademie, in der das neue Team junge Menschen an Medien heranführen möchte. Sie soll Ausbildungsplätze schaffen, den Nachwuchs fördern und Talente entde­cken. Ähnlich wie bei einem offenen Kanal wollen Hensdiek, Huhn und Kirchhoff Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Möglichkeit geben, eigene Videos zu produzieren. Dazu wird ein GüterslohTV-Satellit WebereiTV installiert. Darüber hinaus sollen Konzerte und Events aufgezeichnet werden, um sie Künstlern und Sponsoren kostengünstig zur Verfügung zu stellen. Weitere Einnahmen will das Dreier-Team durch den Verkauf produzierter Dienstleistungen generieren. Durch die Medienakademie sollen auch Inhalte für die Jugendarbeit mit dem Bauteil 5 erarbeitet werden. Die Medienakademie will via Videomarketing mit kurzen Filmen Einblicke in das Weberei-Programm geben. Angestrebt werden auch stadtübergreifende Kooperationen mit weiteren Event-Locations in Bielefeld oder Paderborn. Das Konzept beinhaltet auch einen IT-Stützpunkt, um Jugendlichen einen Zugang zu Technologien zu verschaffen. Kaya Dursun soll die Gastronomie mit eigenständigen Ideen in der Weberei professionell betreiben und mit einem elektronischen Kassen- und Arbeitszeiterfassungssystem für entsprechende Transparenz sorgen. Der gastronomische Bereich bleibe fester Bestandteil des Bürgerzentrums und soll nicht ausgegliedert werden, versprechen Hensdiek, Huhn und Kirchhoff. Über die Finanzierung geben die drei Bewerber zurzeit keine Informationen. „Sie können davon ausgehen, dass unsere Finanzierung auf soliden Beinen steht – über Einzelheiten des Finanzierungsmodels sprechen wir allerdings grundsätzlich nicht in der Öffentlichkeit“, so Matthias Kirchhoff, der gemeinsam mit Ben Hensdiek und Carsten Huhn im Finanzcontrolling auf ein Kontrollorgan setzt. In diesem Zusammenhang arbeiten die drei mit der WRG Audit GmbH aus Gütersloh, dass unter anderem das Klinikum Gütersloh betreut. Ein Steuerberater aus der Gesellschaft habe beratende Funktion und stehe in Verbindung mit der Geschäftsführung. „Wir planen einen Weberei-Freundeskreis“, erklärt Matthias Kirchhoff. Er soll in das Bürgerzentrum integriert werden und als Mitge­staltungsorgan wirken. Dazu gehören alle Mitarbeiter, Vereine, Freunde und Förderer. Man wolle das Vereinsleben in der Weberei durch den Freundeskreis fördern und den soziokulturellen Bereich stärken.

Das Konzept: Weberei für alle Treffpunkt der Bürger und Haus der Generationen

Das Team um Nobby Morkes, Frank Brune, Dominik Klima und Christiane Ziegele will mit unterschiedlichen Kompetenzen die Weberei in eine neue Zukunft führen. Der 42-jährige Frank Brune, der am GT-INFO-Gespräch nicht teilnehmen konnte, ist für den gastronomischen Bereich der Weberei vorgesehen. Brune ist seit Jahren in der Gastronomie tätig, leitete unterschiedliche Betriebe wie das Mam’s in Isselhorst und hat Erfahrungen im Catering von Großveranstaltungen. An seiner Seite steht Dominik Klima, der die Leitung im Bereich Verwaltung und betriebswirtschaftliche Steuerung übernehmen soll. BfGT-Ratsherr Nobby Morkes übernimmt die Leitungsrolle im Bereich Veranstaltungen und Kultur. Er will in ehrenamtlicher Funktion Erfahrungen aus langjährigen Tätigkeiten im Theater- und Musikbusiness einbringen. Der Bereich Public Relations und eine moderne Vermarktungsstrategie sollen seinem Verantwortungsbereich zugeordnet werden. Morkes sieht sich als Bindeglied zwischen der Kulturverwaltung und den politischen Gremien der Stadt Gütersloh und der „Neuen Weberei“. Christiane Ziegele, Geschäftsführerin des OGS-Vereins Isselhorst (Offene Ganztagsschule), werde im Falle einer erfolgreichen Bewerbung die Leitungsrolle im Bereich Bildung und Soziales übernehmen. Sie arbeitete viele Jahre in ehrenamtlicher Funktionen im Sozial- und Bildungsbereich, unter anderem im Vorstand des Mütterzentrums Mama Mia, in Schulkonferenzen und Schulvereinen Gütersloher Schulen. Als Gütersloher Ratsmitglied ist sie Mitglied in den Ausschüssen für Bildung und Soziales. Die Gruppe um Nobby Morkes sieht die Weberei als „Bürgerzentrum für alle“ und will mit einem, „dem kulturellen, sozialen und bildungsorientierten Anspruch genügenden Angebot“ die Gütersloher Bürger in der Breite erreichen. „Wir wollen Bewährtes erhalten und uns für Neues durchaus öffnen“, erklärt Chris­tiane Ziegele. Die eigentliche Idee und Ausrichtung des Bürgerzentrums solle erhalten bleiben. Die Gruppe möchte ein Bürgerzentrum schaffen, in dem sich sowohl alle gesellschaftlichen und kulturellen Schichten als auch alle Altersgruppen zu Hause fühlen. Besonderen Wert legt das Quartett auf eine ökologische Betriebsführung und kann sich vorstellen, dass die Weberei diesbezüglich zu einem Vorzeigeobjekt für die Stadt Gütersloh werden kann. Das Angebot der Weberei mit ihren drei Säulen Gas­tronomie, Bildung und Soziales sowie Veranstaltungen und Kultur solle alle Zielgruppen ansprechen. Alle bestehenden Angebote sollten auf den Prüfstand gestellt, die erfolgreichen Angebote unbedingt weitergeführt werden. Auch zukünftig werde die Weberei unter einer neuen Führung gemeinnützig weiterbetrieben werden, aller Voraussicht nach als gGmbH. Alle vier Geschäftsführer wollen in der Anfangsphase des Betriebsübergangs ohne Gehalt agieren; dieses gelte für die Zeit danach auch weiterhin für Nobby Morkes, der seine Tätigkeiten ehrenamtlich ausführen werde. Die Gehälter der drei weiteren Geschäftsführer sollen später den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Weberei angepasst werden. Morkes, Klima, Brune und Ziegele wollen die Gütersloher Bürger in das Projekt Weberei aktiv mit einbinden. Die gGmbH solle durch einen Beirat unterstützt werden. Er soll aus Vertretern des Betriebsrates, der Politik, des Jugendparlaments, dem Seniorenbeirat, dem Rat für Integration, der Verwaltung sowie den in der Weberei tätigen Initiativen und Vereinen bestehen. Vertreter aller Initiativen, Organisationen, Vereine, Einzelpersonen und Vereinsmitglieder, die das Haus regelmäßig nutzen, bilden demnach die einmal im Monat stattfindende Hausversammlung. Zur Hausversammlung gehören dann zukünftig Vertreter der Geschäftsführung, des Betriebsrates sowie je eine Vertretung aus den jeweiligen Geschäftsbereichen. In der Hausversammlung sollen die Hausnutzungsordnung, gemeinsame Veranstaltungen, Ideen zur Verbesserung und weitere Belange diskutiert und geregelt werden. Die Gruppe will, dass sich die Weberei dauerhaft wirtschaftlich selbst trägt, um auf den kommunalen Zuschuss verzichten zu können. Ein professionelles Controlling soll zukünftig mögliche Mängel und Schwächen im System aufdecken. Dies soll in einer engen Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Gastronomie funktionieren. Durch die kontinuierliche Anwesenheit der Geschäftsleitung „Gastronomie“ sei diese gewährleistet. Hinzu kommen technische Ausrüstungen wie ein modernes, den allgemeinen und rechtlichen Voraussetzungen entsprechendes Kassensystem, das auch die Warenwirtschaft mit einschließe und auch an das EDV-System der Verwaltung angeschlossen sei. Das Angebot der „Weberei für alle“ setzt auf bewährte und zugleich neue Formate und will nicht in Konkurrenz zum Programm der KulturRäume stehen. Die neuen Macher wollen erfolgreiche Veranstaltungen fortführen, schlechter besuchte neu beleben und Ausfälle ersetzen. Durch teilweise neue Musikausrichtungen könnten andere Zielgruppen angesprochen und Mainstream-Angebote integriert werden. „Wir haben in Gütersloh zu wenige Ausstellungsräume. Hier bietet die Weberei viele Flächen und Räume an, die heimischen und regionalen Künstlern wie Bildhauern und Malern die Möglichkeit bieten, ihre Werke einem breiteren Publikum vorstellen zu können. Mehr noch: Aus Mangel an geeigneten Räumlichkeiten werden viele Zehnerabschlusspartys der Gütersloher Schulen nach Bielefeld verlegt. Auch hier können wir neue Räumlichkeiten anbieten oder Übungsräume für Nachwuchsbands zur Verfügung stellen“, erklärt Nobby Morkes. Der „Treffpunkt der Bürger“ will als „Weberei für alle“ Bildungsangebote anbieten und sozialen Initiativen und Belangen Raum bieten. Auf die Frage, warum sich BfGT-Ratsherr Morkes ausgerechnet nach dem politischen „Aus“ der PariSozial für eine Trägerschaft der Weberei bewirbt, antwortet er: „Um klarzustellen, dass es sich nicht um ein Scheinverfahren, sondern um ein tatsächlich offenes Bewerbungsverfahren handelt, habe ich in Erwägung gezogen, mich an dem Verfahren zu beteiligen. Nach Rücksprache mit meinen Partnern von noa-entertainment, Dominik Klima und Frank Brune sowie Chris Ziegele, die bereits an der Konzepterstellung 2007 und 2010 beteiligt war, fiel am 5. Juli die kurzfristige Entscheidung, sich mit diesem Team offiziell um die Trägerschaft der Weberei zu bewerben. Am 10. Juli habe ich Vertreter der Politik sowie der Verwaltung über meine Entscheidung informiert und mich aufgrund der Bewerbung für befangen erklärt. Mir war durchaus bewusst, dass es Diskussionen um meine politische Mitwirkung geben würde. Die Entscheidung der Kündigungsannahme im Kulturausschuss sowie nachfolgende Beschlüsse wurden jedoch nicht allein durch die BfGT getragen, sondern mit insgesamt 11 Ja-Stimmen der Fraktionen von CDU, GRÜNE, BfGT, FDP, UWG gegen 5 Nein-Stimmen der SPD-Fraktion verabschiedet. Mein Votum war folglich nicht ausschlaggebend für die getroffenen Entscheidungen.“

Konzept Matthias Markstedt

Markstedt, der mit seinem Partner Hermann Dreesbeimdieke und einer Genossenschaft bereits frühzeitig als Kandidat bereit stand, ist der einzige Bewerber, dessen Konzept bereits bekannt ist. Es sieht ausgebaute Öffnungszeiten, einen Mittagstisch für Schüler, Nachhilfeunterricht und ein Tanzcafé für Senioren vor. Um dem Anspruch eines Bürgerzentrums gerecht zu werden, sollte die Weberei täglich von 8 bis 24 Uhr geöffnet sein. Das breite Spektrum der Gütersloher Bevölkerung soll sich bereits morgens in den Angeboten des Familienzentrums widerspiegeln. Vorgesehen sind: Seniorentreff Musikworkshops Offener Kinder- und Jugendtreff Abendveranstaltungen Kursangebote Bildungswerk Lern-AG und Hausaufgabenhilfe Kinderbetreuung und Eltern Kind Treff Treffpunkt für Vereine und Initiativen