Pressemitteilung - Städtischer Haushalt: Politik will unter sich bleiben

  • 24 October 2012
  • jdroop

 Die Bürger wollen es öffentlich, die Politik zieht sich zur Beratung hinter geschlossene Türen zurück: Während am Dienstag die öffentliche Votingphase zum Bürgerhaushalt begonnen hat, treffen sich gleichzeitig die politischen Vertreter aller Gruppierungen im Rat zu einer nicht-öffentliche Haushaltsklausur. Man könne so offener sprechen, war als Begründung der CDU und UWG als Plattform zu hören. Diesem Wunsch nach einer geschlossenen Gesellschaft hat bisher keine Fraktion widersprochen, alle machen mit. Die Bürgerinnen und Bürger und die Medien müssen leider draußen bleiben.

„Schade ist diese Wagenburgmentalität vor dem Hintergrund, dass sich Politik einmal für einen transparenten Bürgerhaushalt ausgesprochen hat“, sagt Jürgen Droop von der Bürgerinitiative ‚Demokratie wagen!‘. „Jetzt ist davon nicht mehr viel übrig und man muss sich fragen, warum sich die Gewählten nicht trauen, öffentlich über die Bürgervorschläge und den Schuldenhaushalt zu diskutieren. Wiedermal geht ein Stück Glaubwürdigkeit unserer Politiker verloren.“

Die Vorschläge der Bürger liegen vor. Jetzt wäre eigentlich eine inhaltliche Diskussion notwendig, in der die Bürgerschaft erfahren kann, wie ihre Vorschläge bei den Entscheidern in der Politik ankommen - ob sie angenommen werden oder nicht. Die Initiative hatte dazu eine Sondersitzung des Hauptausschusses gefordert. Eine Entscheidung hierzu steht noch aus.

„Zudem ist der Haushalt noch nicht einmal eingebracht, man kennt die Zahlen also noch nicht mal“, sagt Detlef Fiedrich von der Initiative. Der zuständige Finanzausschuss tagt erst am 20.11.2012 nach dem Ende der Votingphase am 18.11. Dann ist nur noch eine Lesung in den Fachausschüssen übrig, in der über die Vorschläge diskutiert werden kann. „Bis dahin hat man längst Entscheidungen getroffen, alles was dann folgt, ist nur noch Show“, so Droop.

„Diese Undurchsichtigkeit wäre ein guter Anlass, abgeordnetenwatch.de in Gütersloh einzuführen“, so Droop weiter. Abgeordnetenwatch.de ist ein Internetfrageportal, auf dem Bürger die heimischen Abgeordneten nach ihrer Meinung und ihrer politischen Arbeit befragen können, die Antworten sind dann auf jeden Fall öffentlich. „Dann hätten die Bürger trotz aller Heimlichkeiten noch auf diesem Weg die Möglichkeit zu erfahren, wie sich die Politiker zu den Vorschlägen verhalten.“

Um abgeordnetenwatch.de nach Gütersloh zu bringen, müssen die Volksvertreter für Bürgerfragen per E-Mail erreichbar sein. Bisher gab es auch hierfür keine Mehrheit in den Reihen der örtlichen Politik.

„Von Demokratie und Beteiligung scheint immer nur kurz vor den Wahlen die Rede zu sein, im laufenden Geschäft ist man lieber unter sich“, zieht Fiedrich das Fazit.

Kommentare

Lieber Jürgen Droop, lieber Detlef Fiedrich!

Warum könnt ihr eigentlich nicht zugeben, dass eure bisherigen Anstrengungen in Sachen eines sog. "Bürgerhaushaltes" mehr oder weniger gescheitert sind? Das alleinige Beharren auf Verfahrensformen (Transparenz!)kommt doch offensichtlich bei einer relevanten Zahl von Bürgerinnen und Bürgern nicht an!
Setzt euch - nicht stattdessen - sondern hauptsächlich doch ganz praktisch und konkret mit den kommunalen Haushalten (Stadt u. Kreis!)und deren jeweiligen Auswirkungen sowie Beschränkungen für die Lebenswirklichkeit von Bürgerinnen und Bürgern auseinander. Ich bin sicher, dann gibt es auch mehr konstruktive Beteiligung und die Bereitschaft gewählter Vertreterinnen und Vertreter sowie deren Verwaltungen, sich öffentlichen direkteren Formen der Entscheidungsfindung zu stellen.

Viele Grüße
Fritz

Sehr geehrter Herr Spratte,

mit Ihrem Kommentar werden Sie Ihrer Funktion als Mitarbeiter im Wahlkreisbüro von MdB Klaus Brandner (SPD) und als Sozialdemokrat sehr gerecht: es spricht die Stimme der Partei aus Ihnen. Eine Bürgerinitiative wirkt aber nicht so wie eine Partei.

1. Der Bürgerhaushalt ist sicherlich in weiten Teilen gescheitert, ja. Aber nicht, weil die Bürgerinitiative die Bürger nicht ausreichend erreicht und mitgenommen hätte, sondern, weil sich die gewählte Volksvertretung in GT von Anfang an das Ziel gesetzt hat, diese offene Beteiligungsform möglichst schnell wieder abzuschaffen. Die erste Runde BHH 2011 war offensichtlich so wirkungsvoll, dass sich die Politiker aller Fraktionen sehr erschrocken haben, mit welcher Wucht der Bürger plötzlich politischen Raum zurückerobert hat, den die Parteien bis dato unter sich verteilt hatten. Anschließend hat man in unterschiedlicher Konstellation das Vorhaben BHH derart öffentlich in Misskredit gebracht, dass der Bürger nun wiederum verunsichert und verärgert war, wie mit ihm umgegangen wird - und daraufhin in den beiden weiteren Runden nur mäßig mitgemacht hat.

2. Das "Beharren auf Verfahrensformen" wie Sie es nennen, ist uns wahrlich ein ganz besonderes Anliegen. Es geht uns in erster Linie sogar um eben diese Form. Um Transparenz. Eine politische Tugend, die in den letzten Jahrzehnten der Parteiendemokratie deutlich abhanden gekommen ist. Übrigens nicht nur bei der SPD, sondern allumfassend. Aber hat nicht gerade die SPD diesen Anspruch wieder auf ihre Fahnen geschrieben, nachdem die Piraten erstmals erfolgreich waren - und besonders seitdem ihr Kanzlerkandidat mit seinen Einkünften unter Beschuss geraten ist? Ein Festhalten an der Forderung nach Transparenz ist also kein provinzielles Eintags-Anliegen, sondern ein zentrales.

3. Das Auseinandersetzen mit "konkreten kommunalen" Haushalten und deren Auswirkungen ist kein zentraler Bestandteil unserer Arbeit - eben weil wir keine Partei sind, die ein abgestimmtes Parteiprogramm vor sich herarbeitet. Wir leben von der fluiden und nicht fixen Orientierung der unterschiedlichen Mitstreiter. Das, was Sie bei uns anmahnen, ist im Grunde fundamentale Kerner-Arbeit der Kommunalpolitik - insbesondere der SPD, wenn Sie dabei die Auwirkungen auf die Lebensumstände der Menschen als Maßstab nehmen.

4. Solange die vorliegende konstruktive Beteiligung der Bürger, die sich immerhin in den Beiträgen des Bürgerhaushaltes abzeichnen, so derart mit Missachtung und Desinteresse seitens der Politik behandelt werden, siehe nicht-öffentliche Haushaltsklausur, der sich auch die SPD nicht widersetzt hat, darf man nicht erwarten, dass sich die Bürger dann munter auf andere Beteiligungsformen einlassen. Denn die schlechten Erfahrungen mit der Ernsthaftigkeit seitens der Politik wirken sehr lange nach. Nachhaltiger Vertrauensaufbau zur Revitalisierung der Demokratie geht anders! Jedenfalls nicht so: hier mal einen Eimer Wasser umkippen und dann die nächste Alibiveranstaltung aus dem Hut zaubern.

5. Es ist allerdings schon bemerkenswert, dass sich das ferne politische Berlin zu dem Sie gehören, doch noch mit den Belangen vor Ort befasst - und es Ihnen zumindest einen Kommentar wert war. Da scheinen wir ja doch einen gewissen Nerv getroffen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Anke Knopp, BI

Sehr geehrte Frau Knopp,

schön, dass Sie als Sprecherin von Herrn Droop und Herrn Fiedrich reagieren; ich hatte eigentlich eine direkte Reaktion der Adressaten erwartet. Meine Anmerkungen waren mitnichten aus meiner beruflichen Position/Funktion noch aus der Sphäre des "fernen politischen Berlins" heraus verfasst; sondern als engagierter Gütersloher Bürger und vielleicht noch als SPD-Kreistagsmitglied. Als solcher habe ich die vergeblichen Bemühungen um einen sog. "Bürgerhaushalt" auf Kreisebene direkt verfolgt, und zwar mit Sympathie aber auch gehöriger Skepsis, gerade weil die Form, auf der Sie so beharren, mit so wenig bis gar keinem Inhalt verbunden wird. Diese Inhaltslosigkeit vermittelt sich dann auch wohl der überwiegenden Gemeinschaft der Bürgerinnen und Bürger in Stadt und Kreis, die eben keinen Anlaß sehen, sich so zu beteiligen, wie Sie bzw. die BI es erwarten. Ich finde es schade, dass Sie und Ihre Mitstreiter sich der zugegebenermaßen anstrengenden "Kerner-Arbeit der Kommunalpolitik" entziehen, zumal diese längst nicht mehr nur in Parteiformationen stattfindet und auch nicht stattfinden muss.
Meine Einladung, sich über die Formen politischer Beteiligung hinaus an der Gestaltung der Lebensumstände hier vor Ort zu beteiligen, halte ich aufrecht.

Viele Grüße (aus Isselhorst!)

Fritz Spratte

Lieber Fritz!

Bewusst antworte ich Dir erst jetzt.
Natürlich haben wir Deinen Kommentar unter uns Sprecherin und Sprecher schon diskutiert, zur Kenntnis genommen und übereinstimmend kommentiert.
Mir scheint dieser Kommentar von Dir eher persönlicher Natur, jedoch als SPD Mitglied und Mitglied des Kreistages zu sein. Du schienst - ich erinnere an die Diskussion mit Klaus Brandner in der Weberei vor zwei Jahren - schon damals von der Notwendigkeit eines Bürgerhaushaltes, offensichtlich von Transparenz wenig zu halten.

Wenn Du die NW heute liest, scheinst Du aus Deiner Sicht als Mitglied einer Partei bestätigt zu sein. Deinen Worten entnehme ich ‚Wir können es besser!‘ und: ,Wir haben doch das ‚Mandat‘‘! Das ist aber überkommene, alte Parteiensichtweise.

Nein, gescheitert sind wir nicht. Die Reaktionen der letzten Wochen am INFO – Stand der BI waren schon derart, dass sich Politik im Allgemeinen vor Ort überlegen sollte, wie wenig bürgerfreundlich und transparent Entscheidungen in Gütersloh getroffen wurden bzw. werden. Zitate, die uns mitgeteilt wurden, lassen sich so zusammenfassen: ‚Die machen ja doch eh, was sie wollen‘, ‚Das sieht man doch am Theater‘, ‚Es ist doch schon alles entschieden‘, ‚Wir werden nicht ernst genommen‘ (Aussage einer Vertreterin des Schwimmvereins) , ‚Die Eckpunkte stehen doch- was wird da noch geändert?‘ – aber auch: ‚Richtig, was ihr macht: Einmischen‘.

Das Instrument ‚Bürgerhaushalt‘ war schon zu Beginn ein Stachel, der zwickte. Geschickt hatten alle Parteien vor Ort damals im Kommunalwahlkampf das von uns gestartete Bürgerbegehren für sich reklamiert und in der letzten Ratssitzung mehrheitlich einen Bürgerhaushalt beschlossen. Doch dann folgte schon bald bekanntes Gebaren der Parteien: Was kümmert mich die Entscheidung von gestern...

Ich will nicht die ganzen Vorgänge aufdröseln, könnten wir am Donnerstag in der Weberei machen. Vieles ist auch schon –auch von Anke Knopp - gesagt worden.

Wichtig erscheint mir aber die Tatsache, dass im ersten Verfahren vor allem die Verwaltung kräftiger auf die Werbetrommel gehauen hatte, als es später Parteien jeglicher Coleur taten. Da möchte ich nur auf die Homepage der Parteien in den letzten Jahren verweisen. Kein Hinweis auf den Bürgerhaushalt. Kein Link. Wenn dann von den ca. 1,7 % aller Parteimitglieder am Bürgerhaushalt mitgemacht hätten, hätten knapp 1,7 % der BürgerInnen mehr teilgenommen. Das wäre toll gewesen. Wenn dann noch eine Rechtfertigung und Beschlüsse von Bürgerseite nachvollziehbar gewesen wäre…

Diese Chance wurde vertan. Im Gegenteil, die Spielregeln zum Bürgerhaushalt wurden ohne Grund verschärft, sogar gegen Gesetz der Anonymität verstoßen. Kein Einwurf seitens der Parteien. Schnee von gestern.

Verständlich, dass BürgerInnen vom Politikgeschehen vor Ort frustriert sich weiterhin zurückziehen, enttäuscht sind. (In der Schule halte ich an bestimmten Methoden jedoch fest – wechsele nicht, sondern unterstütze, helfe, wenn sie auch nicht zu Beginn von allen Schülern begriffen werden…)

Der holprige Beginn und Behinderungen des laufenden Bürgerhaushalt spricht Bände: Der Start wurde ohne Kenntnis aller Betroffenen geändert. Verfahrensfehler im Netz wurden erst auf Hinweis geändert. Es wurde kaum Werbung durch die Verwaltung betrieben. Flyer wurden verspätet geordert, (nur ausgelegt) - von Mitgliedern der BI weitestgehend am Stand verteilt. (Das Bündnis für soziale Gerechtigkeit unterstützte einmal die BI.) Kaum Plakatwerbung im Bürgerbüro, im Rathaus. Auf der Homepage der Stadt wurde 2x von uns moniert, dass der direkte Zugriff auf der ersten Seite der Homepage - während der Vorschlagsphase und aktuell(!) während der Votingphase – nicht möglich war. Erst heute kann man wieder direkt auf der ersten Seite der Stadt durch einen Link zum Bürgerhaushalt kommen.

Bürgerinformation geht wahrlich leichter. Parteien halten sich vornehm zurück- besonders natürlich die Plattform +.

Trotzdem behaupte auch ich, dass viele BürgerInnen am Politikgeschehen vor Ort interessiert sind, sich einmischen wollen, ihre Ideen einfließen lassen wollen, ohne Mitglied einer Partei zu sein! (Es gab mal eine Zeit, da sprachen Parteien in gewisser Kontinuität mit Initiativen, Vereinen, mit BürgerInnen…)

Und zum Schluss: Ist es nicht konkret, sollte es nicht transparent sein, wenn auf Doppelfunktionen in Rat / Aufsichtsrat und Verwaltung hingewiesen wird? Posten (>Stadtbaurat) – so scheint es – werden ohne Aufschrei – parteienintern ausgeguckt. Frau Schröder darf weiterhin Ratsfrau sein, liest alle anderen Bewerbungen kräftig mit, hat einen gewichtigen Informationsvorschuss, entscheidet weiterhin im Rat. Ich erkenne keinen Aufschrei anderer Parteien…

Also ich sehe eher, dass Parteien (Stadt und Kreis) öfter auf Bürger zugehen sollten. Es ist kein alleiniges Beharren auf Transparenz und Verfahrensformen, lieber Fritz!

In diesem Sinn

Gruß
Detlef Fiedrich

Lieber Detlef,
vielen Dank für Deine Reaktion, die ich allerdings eher erwartet hätte; aber besser spät als nie... Zu der Kommentierung von Frau Knopp habe ich von meiner Seite aus hinreichend Stellung bezogen.
Du schilderst den Verlauf der Debatte um einen Bürgerhaushalt aus Deiner Sicht und Erfahrung, was ich durchaus in vielem nachvollziehen kann, ohne mir Wertungen und Bewertungen zu eigen zu machen.Ich halte das Anliegen, bürgerschaftliche Interessenvertretung vor Ort durch mehr Transparenz zu
stärken für absolut legitim, unterstützenswert und notwendig. Dabei haben wir evtl. nur andere Herangehensweisen, wobei es eben darauf ankommt, wie Erfolgsaussichten eingeschätzt werden.
Ein ganz konkretes aktuelles Beispiel meiner politischen Praxis findest Du in der Tagesordnung des Straßen- und Verkehrsausschusses des Kreis Gütersloh, der sich am Donnerstag, dem 8. Nov. 12 (15 h Kreishaus Gütersloh) mit einer von mir initierten Anfrage der SPD zur "Bürgerinformation bei
Straßenbaumaßnahmen - Anfrage der SPD-Fraktion" (Drucksache 3465) beschäftigt. Dies ist nur ein ganz kleines Beispiel dafür, wie man als gewählter Bürgervertreter einen ganz praktischen Diskussionsprozess für mehr Transparenz, Bürgerinformation usw. anstoßen kann.
Ich finde es bedauerlich, dass jetzt der Vorschlag zur Auflösung der BI "Demokratie Wagen" gemacht wird, halte diesen aber aus Deiner/eurer Sicht für nachvollziehbar, wenn man sich eben auf die Formen der Politikvertretung und -vermittlung allein bezieht und die "Kärnerarbeit der Kommunalpolitik" den politischen Parteien zuweist.
Ich würde es sehr begrüßen und möchte das als Einladung formulieren, sich eben auf diese politische Basisarbeit einzulassen und mitzuarbeiten. Es wäre doch schade, wenn das Potential, die Kenntnisse und Möglichkeiten der einzelnen aktiven der bisherigen BI - also auch von Dir - nicht
mehr in die politischen Debatten in der Stadt einfließen würden.
Also, bis dann in eventuell anderen Zusammenhängen und an anderen Orten...

Viele Grüße
Fritz Spratte