Bürgerräte - jetzt erst recht!
Wir stehen kurz vor den Kommunalwahlen in NRW. Auch in Gütersloh wird ein neuer Rat gewählt. Die aktuellen Herausforderungen in Gütersloh allerdings rufen neben dem Rat auch die Bürgerschaft verstärkt auf den Plan. Wir von Demokratie wagen erinnern nochmals daran, zur stärkeren Einbeziehung der Bürgerschaft vor Ort einen Bürgerrat für Gütersloh einzurichten.
Unser Antrag dazu wurde schon im März von der Politik an die Verwaltung delegiert. Die Verwaltung ist nun aufgerufen, einen Vorschlag zu unterbreiten, wie ein solcher Bürgerrat gestaltet werden könnte. Letztlich aber muss die Politik entscheiden, ob ein solches Verfahren durchgeführt wird oder nicht.
In den letzten Wochen der Corona-Pandemie haben wir besonders in unserer Stadt erfahren, wie schnell sicher geglaubte Grundsätze wie Demokratie, Solidarität und Zukunftsfähigkeit verspielt werden können. Wir erleben gerade vor Ort, wie eine Pandemie uns an die Grenzen bringt und ganze Systeme auf den Prüfstand stellt. Viele Missstände in der Fleischindustrie waren lange Zeit in der Bevölkerung und in der Politik bekannt. Kritische und aufmerksam machende Stimmen wurden nicht gehört. Korrektive, verbessernde Entscheidungen wurden nicht gefällt.
Wir wollen die Prozesse der Meinungsbildung und Gestaltung der Zukunft auf den Prüfstand stellen und um die Ideen und Anregungen der Vielen erweitern. Demokratie ist die Herrschaft des Volkes. Wir möchten, dass wichtige Aspekte zur Gestaltung der Zukunft unserer Stadt wieder mehr ins Zentrum der Bevölkerung gerückt und von dort aktiver mitgestaltet werden.
Mit dem Bürgerrat kann das gelingen.
Ziel des Bürgerrates kann die Erarbeitung und Beantwortung der Fragestellung “Wie wollen wir 2030 in Gütersloh zusammen leben?” sein. Antworten auf diese Frage werden nach überstandener Pandemie und mehrfachem Lockdown dringender denn je sein.
Der Bürgerrat wird nach den Regeln des Verfahrens zu “Bürgerräten” von Mehr Demokratie e.V. eingerichtet: Die TeilnehmerInnen werden durch Losverfahren bestimmt, die Gruppe ist überschaubar groß - aber so zusammengestellt, dass sie die Gesellschaft repräsentativ abbildet. Der dazu stattfindende Auswahlprozess ist jederzeit transparent und nachvollziehbar.
Die so eingesetzten Teilnehmer entwickeln konkrete Vorschläge für die oben genannte Fragestellung. Die Versammlung wird professionell organisiert und von einem geschulten Moderator neutral begleitet. Eine professionelle Moderation und die verständlich aufbereitete Information durch Experten stellen sicher, dass auch komplexe Sachverhalte beraten werden können. Alle Interessengruppen werden angehört, wie etwa Verbände, Organisationen, Kirchen etc.. Die Themenbreite wird vom Bürgerrat selbst definiert. Diese Bürgerräte tagen öffentlich.
Die erarbeiteten Vorschläge werden bis Mitte 2021 dem Stadtparlament übergeben und münden in einen transparenten Entscheidungsprozess. Die erarbeiteten Ergebnisse können auch in ein Bürgerbegehren oder einen Bürgerentscheid münden.
Ein Bürgerrat gibt den dafür notwendigen Raum und die benötigte Zeit für lokale Debatten mit der Bürgerschaft. Sie verhelfen nicht nur zu einem breit geführten Diskurs Aller in einer Kommune und das Wiedererlangen von bürgerschaftlicher Selbstwirksamkeit, sondern verschaffen auch ein hohes Maß an Vertrauen und Klarheit: Die Politik nimmt die Bedarfe und Zukunftswünsche der Bevölkerung direkter wahr und kann ihre Entscheidungen neu justieren.
Statt kurzen Momentaufnahmen von Meinungen entsteht ein profundes Bild über die Vorstellungen einer gemeinsamen Zukunft in der Stadt. Das Verfahren muss transparent und fair gestaltet werden. Durch die Konstellation der Kommunikation der Teilnehmer auf Augenhöhe entsteht ein hohes Maß an kollektiven Problemlösungskapazitäten.
Eine Lobbykontrolle verhindert die schleichende Einflussnahme von nicht legitimierten Externen oder Geldgebern. Wir haben gerade in der Stadt und im Kreis Gütersloh erlebt, wie viel Einflussnahme von Einzelnen und Seilschaften zu kranken Verhältnissen führen, die Menschen, Tieren und der Umwelt - und uns allen - schaden.
Dagegen kann die Durchführung eines Bürgerrates die Demokratie vitalisieren helfen - und das Vertrauen der Vielen, die in den letzten Monaten in zahlreichen Aktionsformen demonstriert haben - wieder gewinnen und in konkrete direktdemokratische Partizipation überführen.
Es geht um die Zukunft unserer Stadt - und unser gemeinsames Zusammenleben.