Zurück zu Haushalt 1.0 – Städtischer Haushalt GT nach Bürgerhaushalt

  • 26 November 2013
  • jdroop

Er ist der erste Haushalt nach drei Durchgängen Bürgerhaushalt. Am 22.11.2013 ist der Haushalt für 2014 auf traditionelle Weise im Rat eingebracht worden: mündlich. Die Bürgermeisterin und die Kämmerin haben ihre Positionen in ihren Haushaltsreden vorgebracht. Diese Redebeiträge finden sich jetzt zumindest öffentlich im Netz auf der Homepage der Stadt zum Nachlesen.

Das Wort zum Haushalt

Beide Reden finden sich hier: Rede der Bürgermeisterin Maria Unger zum Haushalt 2014;
Rede der Kämmerin Christine Lang zum Haushalt 2014:

http://www.guetersloh.de/Z3VldGVyc2xvaGQ0Y21zOjYyOTg1.x4s

Ebenso findet sich auf dieser Seite der Haushaltsentwurf 2014 zusammengefasst auf insgesamt 492 Seiten zum Download.

Auch der Vorbericht zum Haushalt 2014 mit zahlreichen Grafiken und Zahlen findet sich hier.

Der Haushalt ist nicht nur online zu finden. Man kann ihn auch anfassen: Er liegt bis Anfang Februar 2014 auch im FB Finanzen, Eickhoffstr. 38 aus. Dort können Interessierte den Entwurf einsehen, Fragen stellen und Anregungen geben. Mitnehmen kann man die gedruckte Form aber nicht. Man darf gespannt sein, wie viele Menschen den direkten Weg ins Rathaus finden. Im letzten Jahr sei das nur einer gewesen, heißt es.

Der noch Anfang des Jahres 2013 geäußerte „Trost“, es würde eine Broschüre mit den wichtigsten Informationen zum Haushalt geben, wurde offensichtlich NICHT realisiert. Die Broschüre sollte über 80 Seiten umfassen und in einer Auflage von 2.000 Stück rund 5.000 Euro kosten. Der Finanzausschuss konnte sich offensichtlich nicht dazu entschließen und verwies die Vorstellung an die Verwaltung. Man hat bis jetzt nichts mehr von dieser Broschüre gesehen, gehört, gelesen. Oder findet sich dazu irgendwo unauffindbar Näheres?

Bürgerbeteiligung zusammengeschmolzen

Die Frage, wo denn die Beteiligungsmöglichkeit für die Bürger überhaupt noch stattfindet, wird gleichfalls auf der Homepage der Stadt beantwortet: Ein Kontaktformular wurde eingerichtet. Es heißt:

„Fragen und Anregungen zum Entwurf des Haushaltes können Sie uns auch über das Kontaktformular mitteilen. Ihre Fragen und Anregungen sind für weitere Fragesteller nicht sichtbar. Die Verwaltung ist bemüht, Ihre Fragen und Anregungen zeitnah zu beantworten.
Ihre Beiträge können Sie zum gesamten Spektrum des kommunalen Haushaltes machen. Alle Vorschläge, Bewertungen und Anregungen werden zeitnah ausgewertet, zusammengefasst und dem Finanzausschuss der Stadt Gütersloh für seine weiteren Beratungen zur Verfügung gestellt.“

Der Praxistest – Haushalt 1.0

Klickt man auf das Kontaktformular, sieht man sich einem grau-weißen Einheitsformular gegenüber mit dem Titel „Fragen und Anregungen zum Haushalt 2014“. Will man „mitmachen - mitgestalten“, will das Formular erst mal den Namen wissen, die vollständige Anschrift (sic) sowie die E-Mailadresse. Während die Datenabfrage also zwingende Voraussetzung ist, verschwindet das Dialogische mit anderen Bürgern im Nichts. Denn andere Fragesteller sehen die eigenen Fragen und Anregungen nicht. Das war seinerzeit ein zentraler Punkt bei der Einführung des Bürgerhaushaltes – einer zeitgemäßen Internetplattform für Anregungen, Kritik und Gedankenaustausch der Bürger – geschrumpft auf ein Kontaktformular alter Prägung! Man kann sich vorstellen, dass so geäußerte Anregungen in den Fängen der Verwaltung stecken bleiben. Der politische Diskurs wird erfolgreich unterbunden.

Die erkämpfte Anonymität, die auch der Datenschutzbeauftragte NRW im Rahmen des Bürgerhaushaltes und der Bürgervorschläge als notwendig unterstrichen hatte – weg!

Inhalte – Defizite, Leistungen, Investitionen

Nun geht es im Formular an die Inhalte: Fragen werden gestellt und Eingabefelder stehen zur Verfügung.

Frage 1

Wie sollte das Defizit zukünftiger Haushalte vornehmlich ausgeglichen werden?
(Das Eingabefeld ist bei dieser weitreichenden Frage erschreckend klein, fast winzig geraten. Psychologie?)

Frage 2

Sollte es Einschränkung städtischer Leistungen geben? Wenn ja, in welchen Aufgabenbereichen?

Frage 3

Sollten Investitionen gemindert werden, um keine weiteren Schulden aufzunehmen? Wenn ja, in welchen Aufgabenbereichen?

Frage 4

Die Grund- und Gewerbesteuer sollte erhöht werden- (Bei Zustimmung kann ein Feld angekreuzt werden, eine mehr differenzierte Antwort ist nicht vorgesehen.)

Frage 5

Sehen Sie Aufgabenfelder, in denen sich die Stadt noch erheblich mehr engagieren müsste?

Frage 6

Sonstige Fragen und Anregungen zum Haushalt 2014?

Übliches folgt, das erkennen lässt, dass man zumindest ein wenig „online“ und modern ist:
Spam-Schutz * (Bitte geben Sie die Zahl ein, die Sie in der untenstehenden Grafik sehen. Dies dient zur Abwehr von Spam-Robotern.)

Absenden der Nachricht – Blindflug

Wie es nach Absenden weitergeht, muss der Nutzer selbst erfahren: Wir haben es noch nicht getestet. Wahrscheinlich erscheint ein freundlicher Text in dem Stil „Vielen Dank für Ihre Beteiligung am Städt. Haushalt 2014. Wir werden Ihre Anregungen zeitnah bearbeiten und dann in gebührender Form an die politischen Gremien zur Kenntnis und Beratung weiterleiten. Die Ergebnisse entnehmen Sie dann bitte den Protokollen der jeweiligen Ausschüsse.“

Mit dem Kontaktformular, was durchaus das Zeug zum Unwort des Jahres im Zeitalter des Web 2.0 aufweist, hat sich zumindest die Verwaltung bemüht, einen kleinen Weg der Bürgerbeteiligung offen zu halten. Zumindest Haushalt 1.0 ist damit realisiert und man ist nicht gänzlich im Druck auf Papier stecken geblieben. Nach zwei Schritten voraus, ergibt sich nun ein großer Schritt zurück. Open Government als Weg hat man eindeutig verlassen.

Was allerdings schwerer wiegt: Wieder einmal tritt die Politik in Sachen Finanzen und Brückenschlag zum Bürger überhaupt nicht in Erscheinung – als wäre die Haushaltsberatung ein rein verwaltungsinterner Vorgang. Man darf also wieder die Haushaltsreden der Parteien abwarten, natürlich mündlich gehalten. Hoffentlich stellen die dann alle ins Netz 1.0.