Werben für den Zuschlag - Ein Kommentar
Die Weberei soll in neue Hände gegeben werden. Dazu hat die Stadt Gütersloh ein Bewerbungsverfahren ausgeschrieben. Die Bewerbungsfrist ist verstrichen. Die Bewerberlandschaft ändert sich täglich – gewinnt man den Eindruck. (Siehe unser Pressearchiv dazu.)
Obwohl Verwaltung und Politik ein Verfahren mit Bürgerbeteiligung angekündigt haben, ist von einem öffentlichen Diskurs nicht ganz viel zu sehen. Die jeweiligen Bewerber handeln in Fragen der Öffnung ganz unterschiedlich. Die ersten, die Öffentlichkeit nicht nur ihrer Konzeptpunkte sondern auch der Personen herstellen, sind Tim und Steffen Böning.
Vorweg: ihre Punkte sind durchweg grundsolide. Es erfreut ungemein, dass sich Aktive finden, die etwas bewegen wollen, sich einer Herausforderung stellen, im weitesten Sinne für Gütersloh engagiert sind.
Doch gut gemeint, kann am Ende in Gütersloh schlecht gemacht bedeuten.
Die Frage ist nämlich nicht unbedingt die nach dem besten Konzept für die Weberei der Zukunft. Sondern: wie entscheidet sich die kommunale Politik? Wie entscheidet die Verwaltung? Die jeweiligen Strömungen und Eigeninteressen der Akteure liegen nicht wirklich klar auf dem Tisch. Der Betrachter gewinnt den Eindruck, hier spielt jeder sein eigenes Spiel.
So muss man sich nicht fragen, ob die Bewerber handwerklich ihr Geschäft verstehen, sondern, ob sie diese intransparenten Ränkespiele beherrschen: Sind sie politikerfahren genug, um die Fraktionen und ihre Verstrickungen zu durchblicken, wenn es etwa um die Belange der bisherigen Mitarbeiter geht? Welche Position nimmt der Kulturdezernent ein? Eine kulturell- und gastronomisch erfolgreiche Weberei – wäre das nicht Konkurrenz zu den Kulturräumen Gütersloh? Immerhin ist die Weberei über einen Nichtgewährung von 100.000€ gestolpert, während die Kulturräume 500.000€ Nachschub für 2012 bekommen haben – ohne dass die Politik da große Worte verlieren würde. Nun sollen nicht zwei Kulturformen gegeneinander in Stellung gebracht werden. Wenn es um die Verteilung von städtischen Zuschüssen geht, kommt es aber zwangsläufig zum Fressneid. Die Weberei wird mit einem neuen Bewerber ja nicht aus der Verantwortung der Stadt entlassen. Sonst hätte man ja das Areal und die Gebäude gleich an einen privaten Investor verkaufen können.
Die Weberei bleibt städtisch. Oder?
Nicht beantwortet wurden gestern auch die politischen Fragen. Welche Konsequenz hat die Insolvenz, die Bewerber übernehmen ja einen Laden, der schon an die Wand gefahren ist. Wenn von Bürgerbeteiligung die Rede ist, wo findet die überhaupt statt, das Verfahren in die Sommermonate zu legen, verknappt die Anzahl der zu befragenden Bürger deutlich. Eine Vorstellung aller Konzepte vor einem kleinen Kreis der Politik mit anschließend schneller Entscheidung ist zudem nicht dazu angetan, den großen Ankündigungen nach Beteiligung Rechnung zu tragen. Augenwischerei.
Unbeantwortet ist auch die Frage, wie Politik und Verwaltung eigentlich nach ihrer Entscheidung mit den Verlierern umgehen möchten: zumindest die Bewerber um GTMusic und Kirchhoff sind engagierte Gütersloher. Kommen die nicht zum Zuge, was passiert dann mit den Formaten, die sie schon aufgezogen haben? Verlieren die dann ihre Heimat?
Was ist mit den Bewerbern aus den politischen Reihen? Kommen sie nicht zum Zuge, werden sie dann künftig die Mitbewerber noch argwöhnischer betrachten, wenn es möglicherweise wieder um Finanzierung gehen sollte? Sind sie gar zukünftig komplett befangen?
Viele Fragen, die offen bleiben, die man gerne aber diskutieren möchte. Nur fehlen Ort und Zeit dazu. Schon mal wurden die Bürger in die Irre geführt, als es um eine große Kultureinrichtung ging: das Theater. Erst Bürgerbegehren, dann nach Ablauf der Sperrfrist wurde entgegen dem Willen der Bürger gebaut. Und nun ist das Theater mehr oder weniger in der Hand der großen Sponsoren. Dass sich die Bürger an der Stelle von Beteiligungsbekundungen abwenden, erstaunt nicht. Nur trägt das nicht unbedingt zur Wiederbelebung der Weberei bei.
Es sind also nicht nur die Bewerber gefragt, sich ins Zeug zu legen. Sondern es ist in erster Linie die Politik gefragt: klare Verfahren, klare Ansagen und sich daran halten wären Zeichen.
Apropos Zeichen: Was sagt eigentlich die Bürgermeisterin zu dem gesamten Vorgehen? Sie schweigt. Und das bei einem Herzstück der Bürgerkultur.