Regionalkonferenz zum Bürgerrat

  • 24 June 2019
  • jdroop

Mehr Demokratie - es ist ein immer wiederkehrendes Anliegen - für das auch wir hier vor Ort stetig angetreten sind.

Jetzt ist ein neues Format hinzu gekommen. Der Bürgerrat: Über das Los ausgewählte Bürgerinnen und Bürger beraten und entscheiden über relevante Themen und erarbeiten gemeinsam ein Bürgergutachten, dies unter Einbeziehung aller zur Verfügung stehenden Informationen, durch den Austausch mit Experten und auch politischer Entscheider. Die Ergebnisse werden dem Parlament übergeben mit der Idee, dass die Ergebnisse in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. In Irland ist dies bereits bei zwei hochkomplexen Themen gelungen, der Ehe für alle und der Novellierung des Abtreibungsrechtes.

In Deutschland haben diese Idee des „Bürgerrates Demokratie 2019“ aus der Taufe gehoben: Mehr Demokratie e.V. auf Bundesebene, die Schöpflin Stiftung gemeinsam mit den unabhängigen Prozessbegleitungs-Instituten nexus und IFOK.

Mit diesem auf Bundesebene bisher einmaligen Modellprojekt sollen in enger Anbindung an die Politik Vorschläge zur Stärkung und Weiterentwicklung unserer Demokratie erarbeitet werden. Die Empfehlungen des Bürgerrates sollen an die Expertenkommission zur Demokratie und an den Bundestag zur Beratung übergeben werden. Vorgesehen sind insgesamt vier Phasen. Den Start bilden sogenannte Regionalkonferenzen, zu der je 50 Teilnehmer eingeladen sind, die sich vorab beworben haben. Auch Politiker nehmen teil.

Weiter geht es mit dem eigentlichen Bürgerrat, hier kommen die 160 durch Losverfahren ermittelte Bürger zusammen, die dann beraten und ein Bürgergutachten verfassen. Schließlich wird das erarbeitete Bürgergutachten an die Politik übergeben: Am 15. November 2019 am Tag für die Demokratie wird es der Politik und der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine Umsetzungsphase soll sich anschließen, die bis Ende 2020 terminiert ist.

Alle Infos dazu finden sich hier: Bürgerrat. https://www.buergerrat.de/

Derzeit finden sechs Regionalkonferenzen in ganz Deutschland statt:

Erfurt, Schwerin, Koblenz, Gütersloh, Mannheim und München. Rund 50 BürgerInnen und PolitikerInnen treffen aufeinander, diskutieren über Demokratie, über Stärken und Herausforderungen. In Gütersloh kamen dazu am 21. Juni 2019 Menschen aus der Region und dem Ruhrgebiet an fünf Tischen zusammen, jeder hatte sich vorab um die Teilnahme an der Regionalkonferenz beworben. Den Hut auf hatte Claudine Nierth (Demokratie Wagen e.V.). Dr. Angela Jain vom nexus Institut moderierte den Abend, MdB und Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ralph Brinkhaus begrüßte und Britta Hasselmann, MdB für Bündnis 90/Die Grünen aus Bielefeld, kommentierte den Prozess am Schluss. Einige weitere Mandatsträger von Bund Land und Kommunen nahmen an den Tischdiskussionen teil.

Wir von Demokratie wagen aus Gütersloh waren teilweise auch dabei.

Die Methode ist bekannt: Diskussionen an Tischen, zusammentragen von Ideen und Vorschlägen, Clusterung, Bewertung und Priorisierung der Themenschwerpunkte. Überragendes Thema des Abends lautete „Transparenz“, die die Teilnehmer offenbar an allen Tischen einforderten. Transparenz der politischen Meinungsbildung und vor allem in der Entscheidung. Offenbar ist genau die fehlende Transparenz eines der großen Probleme unserer Zeit. Allen gemein war der große Wille nach mehr Beteiligung der Bürgerschaft zwischen den Wahlen und eine ernstzunehmende Verbindlichkeit von Vorschlägen aus der Bürgerschaft. Gefordert wurde die Verankerung dieser direkten Möglichkeiten im Gesetz, so dass sich Gesellschaft darauf berufen kann - und nicht Bürgerbeteiligung nur dann einberufen wird, wenn es den repräsentativen Gewählten passt.

Ralph Brinkhaus, MdB und Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war zwar Schirmherr für die Regionalkonferenz in Gütersloh, nur blieb er nicht bis zum Schluss, sondern verließ die Veranstaltung schon in der Pause. Im Interview der WDR-Lokalzeit OWL kommentierte er, dass man bei der Einführung von direkter Demokratie auf Bundesebene „sehr genau hinschauen“ müsse. Das Vertrauen in direkte Demokratie scheint ihm zu fehlen, die Erfahrung mit profunden und gut durchdachten Bürgervorschlägen scheint eher Ängste auszulösen.

Die am Abend im Rahmen der Regionalkonferenz erarbeiteten konkreten Vorschläge für Beteiligung und die Belebung der Demokratie zeigten sich vielfältig und sehr kreativ: etwa die Einführung von Bürgerräten auf allen Ebenen (Kommune, Land, Bund), ein Lobbyregister, ein Transparenzregiser für Beteiligungen von Firmen, Open Data, alle Bürger schreiben Parteiprogramme zusammen, nicht nur die Parteimitglieder, eine öffentliche Plattform, auf der alle laufenden Beteiligungsverfahren zu finden sind - und viele weitere Anregungen. Sobald die Liste der konkreten Vorschläge zusammen gestellt sein wird - sie wird aus allen Regionalkonferenzen gebündelt - stellen wir sie hier zur Einsicht ein.

Das Bestreben, die Demokratie zu beleben, einte die Teilnehmer an der Regionalkonferenz. Die Summe aller war größer als die Ideen jedes Einzelnen. Dass Demokratie wirksam ist für eine offene und freiheitliche Gesellschaft, zeigte sich an dem Abend sehr lebhaft. Es wird Zeit, dass Bürgerräte verbrieften Einzug halten, damit Demokratie nicht zu einer leeren Worthülse wird.

Auch wir in Gütersloh sollten darüber nachdenken, Bürgerräte verbindlich einzuführen.

Dr. Anke Knopp

Wir haben zudem Prof. Dr. Norbert Kersting, Institut für Politikwissenschaft, Uni Münster und Mitglied im Beirat von „Bürgerrat“ um einen kurzen O-Ton gebeten:
https://www.youtube.com/watch?v=EpEPzkXBnk0&feature=youtu.be

Die Glocke, Gütersloh, 22.06.2019

Westfalenblatt, Gütersloh, 24.06.2019

Neue Westfälische, Gütersloh, 24.06.2019