Die Idee „Bürgerrat“ als partizipatives Instrument

  • 31 October 2020
  • jdroop

Gütersloh steht derzeit vor einem möglichen Schub für die Einrichtung eines Bürgerrates. Der neue Bürgermeister Norbert Morkes wird ab dem 1. November 2020 die Amtsgeschäfte übernehmen. In den ersten Interviews bekräftig er seine Aussage zu Wahlzeiten, dass er gerne einen Bürgerrat einrichten möchte. Dieser müsse zu Gütersloh „passen“. Bisher hat er seinen Ansatz noch nicht erläutert. Sicher folgen nach Amtsantritt Gespräche mit ihm, auch das hat er bereits angekündigt. Wir freuen uns.

Wir von „Demokratie wagen“ haben in unseren letzten Blogbeiträgen bereits einige wichtige Konzeptschritte formuliert, wie wir uns die konkrete Ausgestaltung eines Bürgerrates für Gütersloh vorstellen. Nach der sehr erfolgreichen Vernetzung auf Bundesebene durch „Mehr Demokratie e.V.“ und Thorsten Sterk als Campainer für Bürgerräte haben wir weitere gute Anregungen aus Konstanz erhalten. Auch hier stehen die Aktiven in den Startlöchern und beantragen einen Bürgerrat. Dabei findet sich in ihren Antragsunterlagen ein konkreter Passus, der auch gut zu Gütersloh passen kann, wir haben das mal auf Gütersloh umgemünzt und als Anregung verstanden:

Auszug aus Konstanz-Bürger:innenrat

Der Bürger:innenrat:

  1. soll ein in Gütersloh fest etabliertes partizipatives Instrument sein, um dem Stadtrat Handlungsvorschläge insbesondere zu umstrittenen Themen zu unterbreiten.
  2. Die Initiierung eines Bürger:innenrats und die jeweilige im Bürger:innenrat zu behandelnde Fragestellung kann jedenfalls durch
  3. a) den Stadtrat
    b) Einwohner:innenanträge
    festgelegt werden.

  4. formuliert Handlungsvorschläge zu dem behandelten Thema. Diese werden dem Stadtrat vorgelegt, der sich mit den Empfehlungen auseinandersetzt. Die Empfehlungen des Bürger:innenrates können durch den Stadtrat

    a) vollumfänglich angenommen und umgesetzt werden,
    b) abgeändert und anschließend umgesetzt werden,
    c) abgelehnt werden.

In allen drei Fällen muss der Entscheid von Seiten des Stadtrates gegenüber den Gütersloher Bürger:innen begründet werden.

Auch die Visualisierung aus dem Antrag aus Konstanz ist angetan, das Vorhaben in Gütersloh zu skizzieren:

Abbildung: Gremien eines Bürgerrats, hier Bürger:innenversammlung genannt
(Auszug Antrag Konstanz): Zur Erklärung der einzelnen Gremien im Schaubild:

Aufsichtsgremium/Beirat: bestehend aus mit dem Thema vertraute Expert:innen, Beteiligungsexpert:innen und Vertreter:innen der Initiative “Konstanzer Bürger:innenkonzil. Der Beirat ist das Aufsichtsgremium. Somit hat er die Funktion der Kontrolle und Beratung. Die Mitglieder des Beirates müssen über Fachkompetenz in Sachen Bürger:innenbeteiligung bzw. thematische Kompetenz verfügen (z.B. hier zu Klima, Mobilität etc.). Die Beiratsmitglieder werden von der Koordinierungsgruppe eingeladen, wobei jede:r im Vorhinein Vorschläge machen kann.

Expert:innen & Interessensgruppen: mit dem Thema vertraute Expert:innen und Interessengruppen informieren die Teilnehmer:innen des Bürger:innenrates in Vorträgen und Workshops und geben einen Überblick über Vor- und Nachteile der bestehenden Ansätze/Vorschläge.

Koordinierungsgruppe: bestehend aus Stadtverwaltung und Beteiligungsunternehmen. Gemeinsam kümmern sie sich um den organisatorischen Ablauf, die Expert:innenauswahl und die Tagesordnung des Bürger:innenrates. Der Koordinierungsgruppe obliegen die Detailplanungen. Das gilt auch für die Durchführung des Losverfahrens und die Moderation (die üblicherweise vom Beteiligungsunternehmen geleistet wird). So ist es auch Aufgabe des Beteiligungsunternehmens herauszufinden, wie viele Menschen jeweils eingeladen werden sollten, um die notwendige Teilnehmendenzahl und Diversität zu erreichen.

Die Koordinierungsgruppe agiert frei und unabhängig von politischen Instanzen. Sie arbeitet mit dem Beirat einen umfassenden Richtlinienplan für den BR aus. Die Zivilgesellschaft kann sich in der Anfangsphase mit Vorschlägen einbringen, welche von der Koordinierungsgruppe in der Konsultationsphase den Bürger:innen vorgelegt werden.

Moderation: wird von der Koordinierungsgruppe bestimmt und üblicherweise vom Beteiligungsunternehmen geleistet.

Nicht im Schaubild abgebildet, jedoch selbstverständlich im Prozess fest eingebunden ist der ​Stadtrat als Auftraggeber des Bürger:innenrates und als Empfänger der Ergebnisse. Der Stadtrat entscheidet über die Durchführung eines Bürger:innenrates auf Vorlage der Verwaltung. In dieser Vorlage befindet sich normalerweise bereits ein Rahmen bezüglich der Bürger:innenrat-Größe, der Sitzungstage, Räumlichkeiten etc.. Zudem gibt der Stadtrat eine Kostenschätzung and und macht einen Vorschlag zur Auswahl des Beteiligungsunternehmens.

Durchführungsschritte eines Bürgerrats:

  1. Ernennung eines Aufsichtsgremiums
  2. Formulierung der Fragestellung
  3. Ernennung der Koordinierungsgruppe
  4. Ausarbeitung des Richtlinienrahmens mit der Koordinierungsgruppe und dem Beirat
  5. Einladungen von Expert:innen und Interessensvertreter:innen
  6. Planung des Versammlungsablaufs
  7. Erstellung der Beratungsunterlagen
  8. Auswahl der Versammlungsmitglieder durch Losentscheid
  9. Durchführung der Versammlung
    a) Lernphase
    b) Konsultationsphase
    c) Beratungsphase
    d) Entscheidungen

Wir bedanken und bei Kira Hoffmann von der Initiative Konstanzer Bürger:innenkonzil.
Zudem möchten wir auf weitere sehr informative Seiten verlinken, die zur vertieften Recherche einladen:

Eine Karte mit der Übersicht über geplante / aktive Bürgerräte in Deutschland:
https://www.buergerrat.de/aktuelles/buergerraete-in-deutschland/

Dokumentation Bürgerräte
https://www.buergerrat.de/dokumentation/

Die häufigst gestellten Fragen (FAQ) zu Bügerräten:
https://www.buergerrat.de/faq/

Die Bürgerrat-Konferenz:
https://www.mehr-demokratie.de/news/voll/los-deutschland-die-buergerrat-...