Wer will die B61 ausbauen?
Ein überraschendes Thema des zu Ende gehden Jahres 2019 ist der geplante vierstreifige Ausbau der B61 zwischen Rheda-Wiedenbrück und Bielefeld. Es war die Lokalpresse, die plötzlich über Vermessungsarbeiten an dieser Trasse berichtete. Auf Nachfrage wurde die Ausbauplanung bestätigt inkl. der Notwendigkeit, die Bäume entlang dieser wunderschönen Allee zu fällen.
Transparente und Malaktionen an den Bäumen folgten und im September gelang es dann engagierten Bürgerinnen und Bürgern quasi aus dem Stand heraus, rund 2000 Leute aufs Fahrrad und auf die Straße zu holen, um gegen diesen Ausbau zu protestieren. Diese überraschend große Menge lässt vermuten, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Gütersloh und den angrenzenden Städten aus nachvollziehbaren Gründen Gegner des Ausbaus ist. Die Beteiligung vieler Gütersloher Kommunalpolitiker an dieser Protestaktion aus den unterschiedlichsten Ratsparteien lässt außerdem den Schluss zu, dass eine Pro-Ratsmehrheit ebenfalls nicht gegeben ist.
Wenn aber dieser Ausbau hier so gar nicht gewollt ist, fragt man sich, wie konnte es dieses Vorhaben bis in den Bundesverkehrswegeplan schaffen?
Eine Recherche ergibt folgendes Bild: Bereits in 2012 befasste sich der Regionalrat mit diesem Thema. Dieses Gremium ist an das Regierungspräsidium in Detmold angedockt und tagt weitgehend unterhalb des Radars der Öffentlichkeit. Die stimmberechtigten Mitglieder werden von den Räten der Kreise und der kreisfreien Städte entsandt, also auch vom Kreis Gütersloh. Zudem gibt es beratende Mitglieder, u.a. von der Industrie- und Handelskammer OWL (IHK). Und eben diese Kammer stellte 2012 die beiden Anträge, die B61 östlich und westlich von Gütersloh 4streifig auszubauen.
Für solche Anträge führt der Regionalrat eine lange Liste von Straßenbauprojekten, die ständig fortgeschrieben wird und in die die zwei neuen Projekte aufgenommen wurden. Nun wurde auf der Regionalratssitzung gar nicht über diese neuen Projekte diskutiert und abgestimmt, sondern es wurde die ergänzte Liste mit 17 Ja- und 2 Nein-Stimmen als Ganzes verabschiedet. Von wem die Nein-Stimmen kamen, ist leider nicht festgehalten. Vertraut man dem Protokoll, gab es keinerlei Wortmeldungen zu den neuen Anträgen, also auch nicht von den Politikern aus dem Kreis Gütersloh.
Ein so auf regionaler Ebene formal abgestimmtes Projekt schafft es dann i.d.R. ohne Umschweife über die Landesebene bis in den Bundesverkehrswegeplan, und ohne dass ein politisch Verantwortlicher noch einmal die Sinnhaftigkeit ernsthaft hinterfragt. Es ist im Gegenteil zu vermuten, dass Politiker, je weiter sie in ihrer Rolle von den örtlichen Gegebenheiten entfernt sind, eher die Interessen der Wirtschaft im Blick haben als die der Menschen vor Ort. So befürwortet schon unser Landrat des Kreises Gütersloh als nächst höhere Instanz über den Kommunen den Ausbau.
Durch die Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan bekam das Vorhaben quasi Gesetzeskraft und zwingt nun die Planungsbehörden auf allen Ebenen zum Handeln, obwohl eine demokratisch legitimierte Willensbildung durch die betroffenen Kommunalparlamente (noch) gar nicht stattgefunden hat, von Bürgerbeteiligung ganz zu schweigen. Es ist für unsere parlamentarische Demokratie geradezu beschämend, wie einfach es Vertreter der Industrie und des Handels haben, ihre Interessen ungefiltert zur Geltung zu bringen! Ein 40-Millionen Euro Straßenbauprojekt mit enormer zerstörerischer Wucht soll mit stillschweigendem Einverständnis einiger involvierter Politiker umgesetzt werden, obwohl keine betroffene Bürgerin, kein betroffener Bürger dazu befragt wurde, nicht mal informiert wurde, weil es die IHK so will!
Lange Zeit lag der Mantel des Schweigens über dem Projekt. Erst jetzt, viele Jahre nach der Beantragung und nachdem die ersten Planungsaktivitäten schon gestartet sind, kommen die nötigen Diskussionen in Gang. Und Tausende müssen Energie und Lebenszeit aufwenden, um die ungewollten Pläne wieder zu Fall zu bringen. In 2020 ist Kommunalwahl, die Zeit ist günstig…