Vom Wert der Dunkelheit für Mensch, Natur und Klima
Vom Wert der Dunkelheit - Kurzbericht vom Vortrag am 9.12.23 im Bambi Filmkunstkino
Die Klimawoche Gütersloh hatte ins Bambi-Kino eingeladen: Vom Wert der Dunkelheit berichtete Sabine Frank, Nachtschutzexpertin aus dem Kreis Fulda.
Organisator Felix Kupferschmidt: "Gütersloh diskutierte noch über das Für und Wider der Straßenbeleuchtung nach Mitternacht, als Bürgermeister Morkes plötzlich anordnete, die Lichter wieder einzuschalten" Jürgen Droop, Organisator der Klimawoche merkt an: "Wir wollten den dringend notwendigen fundierten Austausch ermöglichen." Mit Sabine Frank nahmen auch Dr. Andreas Hänel aus Osnabrück und Thomas Bierbaum aus Herford teil - beide ebenfalls Experten im Bereich Nacht- und Artenschutz.
Der Vortrag behandelte alle Aspekte dunkler Nächte auch mit Blick auf die Gütersloher Situation. Die Auswirkungen auf Insekten und andere, auch große Säugetiere und Vögel, seien dramatisch, so Frank. Sie reichten von Verdrängung aus ihren Lebensräumen bis zu verhängnisvoll früher Fortplanzung mit dem Resultat, dass Nachkommen ohne jahreszeitgemäße Nahrungsquellen schlicht verhungerten.
Mit Lichtkarten zeigte Sabine Frank, wie dramatisch sich die Lichtverschmutzung der Stadt Gütersloh selbst auf die umliegenden, dunklen Gebiete auswirkt. Reflexionen am Himmel führen dazu, dass der Lichtkegel der Stadt weit größer als das Stadtgebiet ist. Als Gegenmaßnahme gab sie Handlungsempfehlungen für Stadtplaner, Architekten und Imobilienbesitzer zur Auswahl der richtigen Leuchten, der Leuchtmittel und der Beleuchtungsstärke.
Beeindruckend und für viele Zuschauer neu war der Effekt, dass Bäume unter Laternen ihr Laub im Herbst nicht vollständig verlieren. Dies führe zu einer Schwächung der Pflanzen bis hin zu Schutzlosigkeit der betroffenen Äste im Winter.
Das Thema Angst nahm Frank intensiv auf: Mit großem Abstand würden mehr Gewalttaten im häuslichen Umfeld als in dunklen Straßen oder gar Wäldern begangen. Eine Art "Krimifizierung" führe dazu, dass die Menschen Plätze mit Gewaltverbrechen verbänden, die überhaupt keine Kriminalitätsschwerpunkte seien. Problematisch findet Frank die These, dass man möglichen Gewalttaten mit Licht vorbeugen müsse. Gütersloh sei kein Testballon mehr: Reihenweise schalten Kommunen ähnlicher Größe zu Zeiten wie Gütersloh die Lichter aus. Und dort, wie ja auch in Gütersloh, gebe es schlicht keine Zunahme von Gewaltverbrechen in vormals beleuchteten Arealen. Frank nennt Herford in nächster Nähe.
Nicht nur Städte und Gemeinden schalten ab, auch Unternehmen und Geschäfte machen mit und sparen so Energie. Aber vor allem geben sie die so wichtige Dunkelheit zurück. Lebewesen und Pflanzen seien seit Jahrmillionen darauf angewiesen. Aus dem Publikum kam die Anmerkung, dass in Frankreich die Nachtabschaltung vollkommen normal sei. Weshalb das nicht in Gütersloh möglich sei? Die Veranstalter forderten vom Bürgermeister die Rücknahme seiner Entscheidung und unterstützen ausdrücklich den Vorstoß von BfGT, SPD und Grünen, die Lichter wieder nach Mitternacht abzuschalten.
Ein weitverbreiteter Irrtum war ebenfalls Thema am Vortragsabend: In der Straßenverkehrsordnung tauche mitnichten auf, dass eine Straßenbeleuchtung vorgeschrieben sei. Das einzige Bundesland mit einer Regelung sei Berlin. Auch die Beleuchtung von Grundstücken und Häusern sei in keiner Weise vorgeschrieben. Im Gegenteil, so Frank, sei es sogar verboten, Häuser besonders nachts anzustrahlen. Das Thema Verkehrssicherungspflicht werde auch häufig unzulässig ausgelegt: Eine angemessene Fahrweise sei immer vorgeschrieben. Dunkelheit sei genau wie Nässe ein natürlicher Zustand und daher nicht sicherungs- also beleuchtungspflichtig.
Dr. Andreas Hänel, Physiker aus Osnabrück, der seit Jahrzehnten zum Thema arbeitet, bot der Stadt an, in einem Vortrag Aufklärungsarbeit zu leisten. Thomas Bierbaum, dessen Beleuchtungsspaziergang wegen ungünstiger Witterung auf den April verschoben wurde, zeigte im Anschluss des Vortrages den mehr als 70 Teilnehmenden praktische Beleuchtungsbeispiele. Im Klimabüro wird nach Terminabsprache Lichtfilterfolie für Fahrradlampen ausgegeben. Denn weißes Kunstlicht mit höchstem Kontrast ist auch für das menschliche Auge nächtens schwer zu verarbeiten.