Digitaler Aufbruch in Gütersloh

  • 7 December 2017
  • jdroop

Von Aufbruchsstimmung war in der Hauptausschusssitzung im Gütersloher Ratssaal nichts zu spüren. Das Thema Digitalisierung stand als Antrag der CDU und der Grünen auf der Tagesordnung und wurde von Herrn Willi Kaczorowski als externem Berater der Stadt präsentiert. Er stellte das Thema in einer Manager-Sichtweise aus 10 km Flughöhe dar mit bewusstem Auslassen jeglicher technischer Details, wohl um einer vermeintlichen Überforderung der Sitzungsteilnehmer zu entgehen. Sein Vortrag, gespickt mit markigen Formulierungen, wie „Die Digitalisierung überwindet Raum und Zeit“, verfing jedoch nicht. Die Ratsleute nahmen den Bericht zwar wohlwollend zur Kenntnis, verhielten sich aber ansonsten wie bei einer parlamentarischen Pflichtübung. Die üblichen Bedenkenträger waren sofort zur Stelle mit dem Thema Datenschutz.

Auch die Finanzierung dieses Aufbruchs ist völlig unklar und wurde nicht mal hinterfragt. Es werden im nächsten Haushaltsjahr zwar zwei Stellen eingeplant, aber ein Budget für deren Arbeit ist nicht vorgesehen. Der neu zu schaffende Chief Digital Officer (CDO) soll dabei „Impulsgeber“ und „Orchestrierer“ sein. Aber er wird wohl viel seiner Arbeitszeit mit Klinkenputzen bei Sponsoren verbringen müssen. Das Gerücht der Finanzierung u.a. durch die Bertelsmann-Stiftung hält sich hartnäckig. Eine Einflussnahme der Wirtschaft scheint billigend in Kauf genommen zu werden, wird jedenfalls nicht zum Thema in dieser Sitzung.

Die Parteien haben die Digitalisierung in keiner Weise verinnerlicht. Es gibt hier keine parteilichen Präferenzen, dabei sind viele Aspekte des Themas hoch politisch, wie z.B. die Partizipation der Stadtgesellschaft, die Transparenz, Open Data oder der Konflikt mit den Netzbetreibern beim Glasfaserausbau. Ich als zuhörender Bürger hätte sofort meine persönlichen Prioritäten nennen können, nicht so die Ratsleute. Position hat niemand bezogen.

Für die Gremien, die zur Digitalisierung geschaffen werden sollen, haben sich der Bürgermeister und sein Berater u.a. einen Unter-30-Beirat (U30) vorgestellt. Das ist in meinen Augen das Eingeständnis der Überforderung mit dem Thema, geradezu eine senile Entscheidungsflucht. Dabei sind unser überaltertes Parteiensystem und die handelnden Personen schuld daran, dass junge Leute kaum Chancen haben, in verantwortungsvolle Positionen zu kommen. Ein U30-Beirat behebt diesen Mangel also nicht. Wie soll er besetzt werden, mit Nerds, Gamern, Influencern oder Bloggern? Wer entscheidet darüber? Ist in unserer repräsentativen Demokratie nicht jeder Parlamentarier verantwortlich dafür, die Bevölkerung als Ganzes zu vertreten und sich in allen anstehenden Themen sachkundig zu machen? Es ist nicht damit getan, für einen digitalen Aufbruch einen Entscheidungsvorschlag der Verwaltung durchzuwinken – Digitalisierung muss gelebt werden, und zwar von uns allen, ob jung oder alt, erst recht von unseren Entscheidungsträgern.

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